Freitag, 15. Juni 2012

[Rezension] Louisa Young - Eins wollte ich dir noch sagen


Hallihallöle allerseits. Ja, ich lebe noch und als Beweis sollte die folgende Rezension überzeugen ;-)
Also los geht's.

Dieses Büchlein durfte ich mal vor einer Ewigkeit bei vorablesen.de probelesen und die ersten Seiten haben mich sofort begeistert. Deswegen habe ich mich kurzerhand dafür beworben und schwupps... flatterte mir auch schon ein Rezensionsexemplar in den Briefkasten.

Der gute Ersteindruck bestätigte sich beim Weiterlesen. Man wird detailliert und liebevoll nach London im frühen 20iten Jahrhundert entführt. Duch einen blöden Zufall lernen sich Riley und Nadine, die Hauptfiguren, kennen, zu diesem Zeitpunkt noch im zarten Kindesalter. Nadine stammt aus einer wohlhabenden Familie, während Riley eher aus einem verarmten Arbeiterhaushalt kommt und sichtlich erfreut ist, dass er nun regen Kontakt mit den Adeligen pflegen kann. Aus diesem freundschaftlichen Verhältnis entwickelt sich nach und nach eine zarte Zuneigung, die bei gemeinsamen Kunststunden, die der nicht wenig begabte Riley zusammen mit Nadine erhält, zu einer leidenschaftlichen Liebe entflammt. Es folgen Berührungen und Geständnisse und Riley erhofft sich mehr, als es seinem Stand geziemt. Soweit, so gut.
Nun war ich gedanklich erstmal diesem Schnulzen - Cliché verfallen... zwei junge Menschen lieben sich, dürfen nicht zusammen sein, weil Standesschranken lala... irgendwie hat sich das mit dem Prolog widersprochen, der einfach nur grausam war und so gar nicht dazu gepasst hat.
Der Höhepunkt der, ich sag jetzt einfach mal ganz rabiat, Schnulze, war, dass Riley, der seiner geringen Chancen mit Nadine zusammen zu sein bewusst geworden ist, sich verzweifelt freiwillig für den Ersten Weltkrieg meldet. Pluspunkt war in dem Fall, dass es sich mal um Kriegsgeschehnisse außerhalb des Zweiten Weltkriegs handelte, der meiner Meinung nach, einfach nurnoch zu Brei durchgekaut wurde und schon zu Genüge thematisiert worden ist, als das dieses Thema noch irgendwelche Neuerungen hinsichtlich besonderer Erkenntnisse verspricht. Man sollte natürlich dennoch immer dran denken, wie schlimm es war. Ihr wisst schon.
Und ab da begann das Spannende. Aus der samtig- bitteren Liebesgeschichte wurde ein Survival- Roman mit all seinen Facetten. Louisa Young zeichnet hierbei perfekt den Alltag an der Front. Das Soldatenleben, das Reduziertsein auf das Tierische, Triebhafte und nurnoch sich und die Kameraden... im krassen Gegensatz dazu, der Aufstieg Rileys durch seine Leistungen an der Front... die fast schon pervers gegensätzlichen Verhältnisse eines Offiziers, die Gedanken und Gefühle eines Heimreisenden, eines Menschen, der zwischen zerfetzten Kameraden, onanierenden Soldaten und heulenden Traumatisierten an einem festhält... Nadine, ein paar schmutzigen Briefen und seiner Liebe zu ihr.
Puh... hier musste ich echt oft schlucken und das Buch erstmal weglegen. Es ist alles einfach zu krass um erlogen zu sein und zu traurig, um wahr zu sein.
Parallel zu Rileys Überlebenskampf erfährt der Leser auch etwas über Nadine, die in ihrer Lage als vorbildliche Tochter, auf den, ihrer Mutter nach, richtigen Ehemann wartend, verzweifelt. Sie möchte helfen, sie möchte tätig sein und nicht länger warten, denn in ihrem Herzen steht ihr Traummann schon fest. Hach ja... die Liebe in Zeiten des Krieges.
Der Höhepunkt des Buches, würde ich jetzt laienhaft behaupten, wird erreicht, als Riley bei einem Sturmangriff gegen Frankreich schwer verwundet wird. Beim Rettungsversuch eines Kameraden zerfetzt eine Grante Rileys Gesicht... . Seine Verzweiflung ist so groß, dass er kurzerhand danach das Liebesverhältnis zu Nadine durch eine vorgetäusche Affaire auflöst und das Mädchen, das am Boden zerstört ist, dazu bringt, sich als Lazarettschwester nach Frankreich versetzen zu lassen... wo nurnoch Tod, Elend und Leid herrschen... . Diese ganzen Verwicklungen hindern die Protagonisten dennoch nicht daran, dass eines Tages, Nadine plötzlich vor dem völlig verstümmelten Riley steht... .
Nebenbei zur Geschichte der beiden Liebenden verlaufen noch ein paar andere Geschichten von Rileys Frontkameraden, dessen Frauen etc., die sich aber am Ende alle zu einer einzigen Geschichte knüpfen und für den Ausgang nicht ganz unwichtig sind. Auf jeden Fall auch hier viel Spannung und Herzblut.

Insgesamt ist das Buch nicht nur für Geschichtsinteressierte und starke Menschen eine Herausforderung. Louisa Young erweist sich als eine unglaublich gute Schriftstellerin, die munitiös die psychischen Abstürze und Folgen von Kriegserlebnissen und Verwundungen nachzeichnet und die Schwierigkeiten der Rückkehr in die "normale" Welt aufzeigt, in der selbst während des Krieges alles wie immer abzulaufen scheint, parallel zur Morbidität, dass Tausende Männer und Söhne jede Sekunde an der Front sterben.
Die Sprache wechselt zwischen ebenso morbider Alltagssprache, Flüchen und Beschimpfungen und langen Monologen, die oft sehr detailliert und beinah poetisch verlaufen. Zwei Welten prallen auch hier aufeinander und scheinen sich doch, obwohl unvereinbar, zu einen.

Für dieses Buch vergebe ich vier von fünf Sternen.

Details zum Buch:
~ List Verlag
~ ISBN 978-3-471-35047-8
~ Preis: 18 € (D), 18,50€ (A)
~ Erscheinungsdatum: 07.10.2011
~ 224 Seiten

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